Wenn man sich bewusst machen möchte, wie ein möglicher Austritt Italiens aussehen könnte, kann man sich vorher den Verlauf des Brexit ansehen.
In den Medien hört man zur Zeit viel über Italien, da dies ein Hotspot der derzeitigen Coronakrise ist. Nach den USA und Spanien ist Italien das am stärksten betroffene Land der Coronakrise. Laut der John Hopkins Universität sind dort mehr als 27.000 Menschen am Covid-19 verstorben. Vor allem der wirtschaftsstarke Norden des Landes ist betroffen, wie kaum eine andere Region auf der Welt. Aus der Situation heraus kam es nun dazu, dass Italien mit dem Gedanken spielt aus der EU auszutreten und somit Großbritannien zu folgen. Doch ob dies eine optimale Entscheidung wäre, soll dieser Beitrag beleuchten und mit dem Brexit in Großbritannien vergleichen.
Ein Artikel von Xenia D., Klasse 10 des Gymnasium Papenburg
Zusätzliche Illustration von S. F., Klasse 10 des Gymnasium Papenburg
Viele vor allem ältere Briten hatten das Gefühl, die EU würde sich zu sehr in ihre Angelegenheiten einmischen. Sie wollten ein unabhängiges Land sein und Entscheidungen alleine treffen, doch dies war in der EU nicht möglich. Nach der Referendumsabstimmung 2016, bei der eine knappe Mehrheit von 51,9% für einen Austritt aus der EU stimmte, dauerte es knapp vier Jahre bis Großbritannien am 31. Januar 2020 aus der EU ausgetreten ist. Am 29. März 2017 begann die erste Phase der Verhandlungen, nachdem eine offizielle Austrittserklärung in Brüssel eingereicht wurde. Diese beinhaltete eine 2 Jahresfrist bis zum Vollzug des Austrittes aus der EU. Knapp ein Jahr nach der Referendumsabstimmung wurden dann die Brexit Verhandlungen vom britischen Brexitminister David Davis und vom EU-Chefunterhändler Michel Barnier eröffnet. Nachdem es zu einem Stocken innerhalb der Verhandlungen gekommen war, sprach sich Premierministerin Theresa May im September 2017 dafür aus, dass London zunächst eine zweijährige Übergangsperiode anstrebt. Im Januar des nächsten Jahres verabschiedete das Unterhaus das EU-Austrittsgesetz, welches EU-Recht in Großbritannien nach dem Austritt ins nationale Recht überführen sollte, um später einzelne Änderungen zu ermöglichen. Auch wenn Großbritannien nun nach vielen langwierigen Prozessen Ende Januar formal die EU verlassen hat, ist ein enger Zeitplan zu bewältigen, um die letzten Verbindungen mit der EU kappen zu können. Wenn das Freihandelsabkommen Ende des Jahres verabschiedet ist, scheidet Großbritannien aus dem Binnenmarkt und der Zollunion aus. Damit wären die letzten Verbindungen zur EU durchtrennt, jedoch wird es über einige Bereiche weitere Verhandlungen geben, da diese nicht bis Ende 2020 geregelt werden könnten.
Doch was für Folgen trägt dieser Austritt mit sich?
Zwar sind zum einen die Nebenkosten für einen Großbritannienurlaub gesunken, dadurch das das britische Pfund an Wert verloren hat, jedoch ist unklar, ob die abgeschaften Roaming-Gebühren nach dem vollständigen Austritt wieder in Kraft treten werden. Auch wenn es durch ein Abkommen eine Übergangsphase für Zoll-Angelegenheiten geben wird, in der man Onlinewaren zollfrei bestellen kann, werden nach dieser Phase wieder noch nicht feststehende Zölle anfallen. Allgemein kann man jedoch noch nicht genau sagen, welche Folgen der EU-Austritt Großbritanniens tatsächlich haben wird, was aber feststeht ist, das sich viele Gesetze und Regeln in kurzer Zeit schnell ändern werden und vieles, was lange zeit galt, in Zukunft nicht mehr gelten werden.
Um den Wunsch Italiens nun besser nachvollziehen zu können, sollte man sich in erster Linie anschauen, wer überhaupt den Austritt fordert und wie es zu dieser Forderung gekommen ist. Von Italien aus kamen mehrere Hilferufe nach Brüssel, da diese nicht eigenständig mit der derzeitigen Situation zurechtkommen. Da es lange keine Antwort aus Brüssel gab, hatten viele Italiener das Gefühl sich nicht mehr auf die Solidarität der traditionellen Partner verlassen zu können. In einer Umfrage des Instituts Tecne vom 9. und 10. April, an der 1000 Personen teilnahmen, kam die Unzufriedenheit nochmal zum Vorschein. Das Ergebnis lautet nämlich, dass 49% der Befragten für einen Austritt aus der EU stimmen würden und dies sind 20% mehr, als noch vor eineinhalb Jahren. Andere Umfragen lauten ähnlich, wobei einige Italiener auch dafür wären nur aus der Eurozone auszutreten bzw. nur dort zu verbleiben ohne EU-Mitgliedschaft. Unterstützt wird die Ablehnung der EU gegenüber durch die Presse in Italien, denn indem gezeigt wird, das Russland und China da waren, als Italien um Hilfe gebeten hat, soll die EU schlecht dargestellt werden. Genau dieses schlechte Bild der EU, das sie ihren Mitgliedern nicht hilft hat sich in die Köpfe der Italiener festgesetzt, obwohl die EU sich dazu entschlossen hat Hilfspakete in Höhe von 39 Milliarden Euro geeinigt hat.
Wieso wird mit dem Gedanken gespielt aus der EU auszutreten?
In der Umfrage des Tecne Instituts wurde deutlich, dass mit 49% knapp die Hälfte der 1000 Befragten einen Austritt Italiens aus der EU beführworten würden. Doch woran liegt diese Unzufriedenheit der Bevölkerung? Zum einen gab es mehrfache Hilferufe aus Rom nach Brüssel, doch da man sehr lange darauf warten musste, bis man sich in Brüssel schlussendlich auf ein Hilfspaket geeignigt hatte, hat viele Italiener in den Glauben versetzt die EU würde sie im Stich lassen und man könnte sich nicht auf ihre Hilfe verlassen. Genauso diesen Anschein hat auch ein italienischer Bürger, denn er meint:,,Ich glaube, an diesem Punkt kann man sagen, dass Europa eigentlich nicht mehr existiert’’ und ,wenn es so ist, dann lassen wir es sein mit Europa’’ (Jörg Seisselberg 2020). Obwohl man Italien das Hilfspaket in Höhe von 39 Milliarden Euro zukommen lässt, hat sich Ministerpräsident Conte dafür ausgesprochen, dass die Italiener weiterhin für die Eurobonds kämpfen werden und das der EMS völlig unangemessen wäre. Italien möchte das Hilfspaket lediglich für die Unterstützung beim Kurzarbeitergeld und die Darlehen der Europäischen Investitionsbank nutzen. Am dritten Teil des Hilfspaketes, dem ESM, wäre Italien laut dem Ministerpräsidenten einfach nicht interessiert. In einem Gespräch mit der ARD verdeutlichte Conte nochmals, dass ,,wenn wir es angesichts dieser Herausforderung nicht schaffen, eine koordinierte, einheitliche, starke, entschiedene Antwort zu geben, werden sich unsere Bürger möglicherweise von diesem gemeinsamen Haus entfernen’’ und das würde daran liegen, dass sie sich nicht mehr beschützt fühlen würden. Die Hilfe aus China wurde in den italienischen Medien groß publiziert und unter einem Facebookpost der chinesischen Botschaft konnte man lesen ,,Danke! Im Gegensatz zu Europa zeigt ihr euch solidarisch!”
Welche Folgen würde ein Austritt Italiens mit sich tragen?
Durch die Coronakrise wurden in Italien anders, als in Deutschland alle nicht lebensnotwendigen Betriebe geschlossen und somit steht fast die gesamte Wirtschaft still. Wenn dies noch weiterhin so bleibt, dann wird mit einem Wirtschaftsrückgang von 6% gerechnet. Bereits jetzt betragen die öffentlichen Schulden Italiens 140% der Wirtschaftsleistung und belegt somit den zweithöchsten Wert in der Euro-Zone nach Griechenland. Italien versucht nicht nur den Anstieg der Infektionsrate, durch Covid-19 abzuflachen, sondern auch den Einbruch der Wirtschaft zu umgehen und nimmt mehrere milliardenhohe Hilfspakete in Anspruch, doch dadurch nimmt der ohnehin hohe Schuldenberg immer mehr zu. Da aber fast niemand seine Arbeit verfolgen kann, schrumpft die Wirtschaftskraft und dies kömmte schlussendlich in einem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Würde Italien nun nicht mehr in der EU sein, müsste das Land selbst mit den hohen Schulden zurechtkommen, ohne auf Hilfe ihrer Nachbarländer in der EU hoffen zu können. Doch auch als Bürger könnte man dies zu spüren bekommen. Der Italienurlaub wäre ein komplett anderer. Dies beginnt bei der Währung und zeigt sich auch bei der Anreise: wenn man mit dem Auto nach Italien fahren würde, würden die Grenzen strenger kontrolliert werden und dadurch lange Staue an den Grenzübergängen enstehen . Ebenso könnte eine Kettenreaktion an EU-Austritten enstehen, da Italien ein Gründerstaat der EU ist und damit die Handlungen der EU in Frage stellt, denn die Bürger haben nicht mehr das Vertrauen in die Handlungen der EU.
Wäre ein Austritt schlussendlich sinnvoll?
Meiner Meinung nach wäre ein Austritt Italiens aus der EU nicht sinnvoll, da Italien die ohnehin hohen Staatsschulden alleine stemmen müsste, ohne Hilfe aus der EU. Ebenso würde der Austritt dazu führen, dass die Export- und Importsteuern steigen würden, was sich wiederum z.B. auf die Autoindustrie auswirken würde. Vorallem die Ärmeren Bürger wären bei einer auftretenden Inflation aufgeschmissen sein, denn der Wert von z.B. Sparbüchern und allgemein des ganzen Geldes würde sinken. Anders als England liegt Italien sehr Zentral in der EU, was zu erschwerten Reisemöglichkeiten zwischen den EU Ländern führen könnte, da es wieder zu erhöhten Grenzkontrollen und Zollsteuern kommen würde. Zusammenfassend kann man nun aber nur abwarten, was in der nächsten Zeit passieren wird und wie Italien sich schlussendlich entscheidet. Ob die Exit-Aussagen vielleicht nur politisches Druckmittel sind wird sich noch zeigen.
Quellen:
Brexit und Deutschland: Welche Folgen hat der EU-Austritt für uns, Merkur.de / Lucas Sauter-Orengo / (letzter Abruf 09.05.2020)
Corona-Krise: Hälfte der Italiener will EU-Austritt, kurier.at / (letzter Abruf 09.05.2020)
Frankfurter Rundschau Coronavirus-Pandemie: Wie Italiens Schuldenberg die EU gefährdet, fr.de / Stephan Kaufmann / (letzter Abruf 09.05.2020)
Führt die Corona-Krise zum Euro-Crash?, n-tv.de / Hannes Vogel / (letzter Abruf 09.05.2020)
n-tv.de/wirtschaft/Fuehrt-die-Corona-Krise-zum-Euro-Crash-article21686236.html
Italien sagt Nein zu 39 Milliardenn der EU, tagesschau.de / Jörg Seisselberg / (letzter Abruf 09.05.2020)
Italiens wachsende EU-Skepsis, tagesschau.de / Jörg Seisselberg / (letzter Abruf 10.05.2020)
Liebe EU es ist zu spät, heise.de / Teseo La Marca / (letzter Abruf 09.05.2020)
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