In der momentanen Situation haben wir alle unsere Päckchen zu tragen, die Einen schwerere, die Anderen leichtere. Nicht nur Kinder und Jugendliche können alltäglichen Dingen wie Schule, Kindergarten, Training oder der Freizeitgestaltung mit Freunden nicht mehr nachkommen. Auch Unternehmen und Kleinbetriebe leiden unter der lebenseinschränkenden Pandemie. Eins dieser Betriebe stellt Modehaus Köster aus Heede dar, denn diese sind auf Veranstaltungen wie Schützenfeste oder Abibälle angewiesen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Da ich selbst in engem Kontakt mit dieser Familie stehe, habe ich mich entschieden ihre Situation näher zu beleuchten. Daher habe ich ein Ferninterview mit der Betreiberin Annette Köster von Modehaus Köster geführt.
Ein Artikel von Maja G., Jahrgang 12 des Gymnasium Papenburg
Interview:
Hallo Annette! Erzähl uns erstmal etwas über euren Betrieb. Was macht euch aus?
A: Unseren Betrieb gibt es jetzt schon über 100 Jahre und er war immer in Familienbesitz. Seit einigen Jahren haben wir uns dann auf die Abendmode spezialisiert da uns der Onlineverkauf mit Damenoberbekleidung zu schaffen machte. Ich lebe und liebe meinen Beruf. Meine Kunden sind in allen Altersgruppen vertreten, vom Abtanzball die 14-15-Jährigen über Abiturientinnen, bis hin zu Schützenfesten, Silber- und Goldbräute. Es ist doch schön, wenn der Kunde kommt und sagt vor fünfundzwanzig Jahren habe ich bei euch mein Silberhochzeitskleid gekauft und jetzt benötige ich etwas für meine Goldhochzeit. Ich glaube, das ist es was einen ausmacht und natürlich die Vielfalt der Kleider. Eine 18-jährige trägt gewiss etwas anderes wie eine 60-Jährige. Aber du kennst es ja von der jährlichen Modenschau.
Wie seid ihr von der Pandemie betroffen?
A: Wir mussten den Laden am 17.3. bis zum 20.04.2020 schließen. Aber, da wir uns spezialisiert haben auf festliche Kleidung und zurzeit alle Schützenfeste, Kommunionsfeiern und Hochzeiten ausfallen haben wir natürlich im Moment Null Einnahmen. Wir haben das nächste Problem schon in Aussicht, weil es in diesem Jahr keine neuen Schützenkönige gibt. Das alte Königspaar wird ein weiteres Jahr regieren und der Verkauf für das nächste Jahr wird sich somit auch erheblich minimieren. Das Problem ist einfach, dass keiner weiß wie lange diese Situation bestehen bleibt. Das macht uns natürlich große Sorgen. Keine Feste-keine Kleider.
Wie habt ihr reagiert, als die Ladenschließung verkündet wurde?
Im ersten Moment habe ich das nicht ganz so dramatisch gesehen. Mein Gedanke war, dass die Regierung uns den Laden für vier bis acht Wochen zu macht und dass es dann ganz normal weitergeht. Aber mit jedem Tag wurde die Situation dramatischer, die Medien überschlugen sich und niemand wusste konkrete Antworten.
Ist der Staat euch damit in den Rücken gefallen? Hättet ihr lieber selbstständig entscheiden wollen, ob und wann ihr schließt und öffnet?
Meiner Meinung nach ist uns der Staat damit nicht in den Rücken gefallen, es geht schließlich um Menschenleben und das steht an erster Stelle. Die Regierung war damit selbst überfordert und man kann den Politikern keinen Vorwurf machen. Es hat keiner damit gerechnet, dass es solche Ausmaße annehmen wird.
Mit welchen Soforthilfemaßnahmen kommt der Staat euch entgegen? Kommen euch auch Konjunkturmaßnahmen zugute?
Wir konnten bei der n-bank einen Antrag stellen für eine Soforthilfe. Dort werden Sofortgelder zur Verfügung gestellt. Bei einem Betrieb bis zu fünf Mitarbeitern bekommt man bis zu 9000.- Euro. Diesen Antrag habe auch ich gestellt. Bis heute habe ich Nachricht, dass mein Antrag in Bearbeitung ist. Wie viel ich letztlich bekomme weiß ich nicht. Es ist aber erstmal eine gute Sache. Die Konjunkturmaßnahmen sehen so aus, dass man seine Steuern stunden kann, das heißt ich könnte sie am Ende des Jahres bezahlen. Man kann auch einen Kredit bekommen, der für 2 Jahre zinsfrei ist.
Fühlt ihr euch damit genügend unterstützt?
Für die Unterstützung bin ich sehr dankbar, aber ob es reichen wird kann man erst in geraumer Zukunft sagen. Natürlich ist die Situation dennoch nervenaufreibend.
Wie wirkt ihr der Situation entgegen?
Wir versuchen auf jeden Fall uns am Online-Handel zu beteiligen. Allein schon, um sich noch bekannter zu machen. Das Problem sehe ich aber darin, dass ich nicht gerne die teuren Kleider verschicken möchte, da sie von der Stoffqualität sehr empfindlich sind. Probiert man sie zu Hause an und sie passen nicht werden sie mir zurückgeschickt und haben eventuell Ziehfäden oder andere kleine Macken. Bei langen Kleidern ist es so, dass sie meistens gekürzt werden müssen. Und ich bin der Meinung, dass man Kleider im Geschäft probieren sollte, weil jede Firma anders ausfällt und die Verkäuferin ein Auge für jede Kundin hat. Die Auswahl im Geschäft ist im Wesentlichen größer als, wenn ich mir 5-8 Kleider nach Hause bestellen würde.
Daher sehe ich diesem Online-Verkauf etwas skeptisch entgegen. Aber Versuch macht klug.
Ich danke dir für deine Zeit und wünsche eurer Familie gute Gesundheit!
Doch wie zukunftsfähig ist Einzelhandel wirklich?
Besonders in der momentanen Situation werden wir förmlich mit Rabattcodes und Prämien via Instagram, YouTube, Email-Newsletter und Co. bombardiert. Nicht unschuldig daran sind sogenannte Influencer, die uns tagtäglich mit neuen Produkten anfixen wollen. Dies erfolgt nicht gerade zum Vorteil von Kleinbetrieben und Lieferdiensten. Viele Betriebe haben schon jetzt Insolvenz angemeldet oder halten sich knapp über Wasser, während DHL Ausnahmezustände meldet, die normalerweise nur zur Weihnachtszeit erreicht würden.
Einerseits ist unser Leben ohne den Einzelhandel nicht vorstellbar. Wir würden einiges an Vielfalt verlieren, zum Beispiel die persönliche Beratung auf Augenhöhe im Laden, sei es beim Kauf eines Buches oder Kleides. Auch der Schreibwarenladen oder der Schuhladen um die Ecke wäre nicht mehr da. Schließlich müsste man auf Onlinehändler wie Amazon oder Zalando zurückgreifen, jedoch ist dies oftmals mit Versandkosten, Mindestbestellwert, Umweltbelastung (durch Verpackungsmüll und Transferkosten), aber auch einer vergleichlich höheren Wartezeit auf das Produkt verbunden. Auch der gemütliche Bummel auf dem Weihnachtsmarkt oder am freien Wochenende wäre nicht mehr das, was er mal war ohne die Angebote unserer Einzelhändler.
Andererseits belegt eine Studie, dass nur noch ein Drittel aller Menschen Wert auf den persönlichen Kontakt zum Einzelhändler legt (Ave 2017). Woran mag das liegen? Dies werde ich im Folgenden näher beleuchten. Viele Menschen lockt das hohe Angebot der Internethändler, so findet man beim Schuhladen in der Kleinstadt eventuell 100 Modelle, während mir auf Zalando die Möglichkeit geboten wird zwischen mehreren Tausend Modellen und Hundert verschiedenen Marken zu wählen. Natürlich ist es Geschmackssache, ob man nun all die Auswahl braucht oder sich vom Angebot überfordert fühlt. Dennoch spielt nicht nur das Angebot eine Rolle, viel eher sehnen sich Menschen nach dem Glücksgefühl, was sie verspüren, wenn sie mal wieder ein Schnäppchen gemacht haben. Da spielt es keine Rolle, ob es um das 50% reduzierte, nach wie vor überteuerte Bleaching Set von Smilesecret geht oder die neuen Nike Sneaker, die man Dank Neukundenrabatt bei Otto 15% günstiger bekommen hat. Es geht um das Erfolgserlebnis und das Gefühl ein Teil dieser Konsumgesellschaft zu sein, die jeden Trend verfolgt, so wie es die Blogger heutiger Zeit vorleben. Zudem ist es bequemer von der Couch aus zu bestellen, als sich aufzuraffen in die Stadt zu gehen. Weiterhin bietet der Onlinehandel Flexibilität. Egal, ob ich gerade in Deutschland oder auf der anderen Seite der Welt unterwegs bin, ich habe die Chance per one click Produkte direkt zu mir liefern zu lassen. Außerdem bin ich nicht an Öffnungszeiten gebunden und kann auf individuell auf mich zugeschnittene Angebote zurückgreifen. Dies bringt zusätzlich eine erhebliche Zeitersparnis mit sich, da man nicht erst den Laden durchforsten muss, sondern einfach etwas in die Suchleiste eingibt, per Filter eingrenzt und entsprechende Ergebnisse erhält. Darüber hinaus erlangt man die Option auf einen Blick alle Preise via Idealo oder Check24 zu vergleichen (Johanna Leitherer und Susanne Niemann, 2017).
All das unterstreicht zwar die Konkurrenz zwischen Online- und Einzelhandel, aber das Eine muss das Andere nicht ausschließen. Was ist damit gemeint, werden Sie sich vermutlich fragen. Dies bedeutet, dass man sich die positiven Aspekte beider Varianten zunutze macht. Besonders in dieser turbulenten Zeit, die Einzelhändler förmlich in die Knie zwingt, würde das Ausweichen oder Ausweiten auf Onlinehandel ein stabiles zweites Standbein bieten.
Denn wer weiß, wie lange die Soforthilfemaßnahmen des Staates auf sich warten lassen, bei solch einem Ausmaß an wirtschaftlichen Folgen durch das Coronavirus. Diesbezüglich lässt sich hintergründig das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft in dieser Situation hinterfragen. Eigentlich besagt es, dass sich der Markt durch Angebot und Nachfrage selbstreguliert. Jedoch greift der Staat nun notgedrungen zu Hilfsmaßnahmen in finanzieller Form, um Betriebe vor der möglichen Insolvenz zu bewahren, weiterhin ein Funktionieren des wirtschaftlichen Systems zu gewährleisten und Szenarien wie zum Beispiel der Inflation entgegenzuwirken. Einerseits spricht das Handeln des Staates natürlich gegen das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, da aktiv eingegriffen und das Marktgeschehen gelenkt wird. Andererseits hat unser Staat die Distributions- und Stabilisierungsfunktion, die die Regierung dazu befähigen im Notfall in den Markt beziehungsweise die Vermögensverteilung einzugreifen. Ich würde sagen, dass wir diese Funktionen Deutschland als Sozialstaat zuzuschreiben haben, da in Deutschland glücklicherweise niemand auf der Strecke bleibt. Sei es, weil man körperlich oder geistig nicht in der Lage ist zu arbeiten oder aufgrund von einer Pandemie vorerst kein Einkommen mehr beziehen kann. Daher ist es legitim die vergleichlich Schwächeren oder Benachteiligten zu fördern, schließlich geht es um Existenzen und Menschenleben, die in jedem Fall Vorrang haben. Ob es effizient ist wird sich gewiss zukünftig zeigen. Voraussehbar ist jedenfalls die Schadensminimierung der Betriebe durch den Eingriff des Staates in das Marktgeschehen, da andernfalls noch mehr Betriebe, als bislang schon, Insolvenz angemeldet hätten und viele weitere Familien vor dem finanziellen Ruin ständen.
Um nun nochmal auf Familie Köster zurückzukommen, lässt sich an diesem Beispiel veranschaulichen, dass Einzelhandel vermutlich nie aus unserem Leben wegzudenken ist. Wie Frau Köster bereits gesagt hat ersetzt der Onlinevertrieb der Kleider zwar nicht das physiologische Aufeinandertreffen von Käufer und Verkäufer/Berater im Laden, birgt zudem einiges an Aufwand durch Versenden der Ware und die Empfangnahme und Verarbeitung der Retoure (ARTE, 2020). Außerdem besteht die Gefahr im Onlinebusiness unterzugehen durch starke und namenhafte Konkurrenz wie zum Beispiel Zalando oder Asos. Trotz dessen schafft der Onlinehandel eine additive Möglichkeit den Verkauf der Kleider auszuweiten, an Bekanntheitsgrad zu gewinnen und auch in Zeiten einer Pandemie Einkommen zu beziehen. Des Weiteren lassen sich einige Argumente gegen den Onlinehandel entkräften, zum Beispiel die Gefahr der namhaften Konkurrenz zu verfallen. Unzwar wird dem durch den Beitritt in einen Stadtverband vorgebeugt und obendrein wird dies durch die von Influencern beworbene Kampagne „support locals!“ unterstützt. Demnach stellt der Vertrieb über das Internet nicht nur im Einzelfall für Familie Köster eine mögliche Chance dar, sondern ist auf viele Betriebe übertragbar.
Demzufolge sollten auch regionale Einzelhändler einen Onlinevertrieb aufsetzen oder ihre Produkte auf Ebay oder Amazon anbieten, um sich ein zweites Standbein auf zu bauen. Dennoch sollte dies nicht unterschätzt werden, denn nun hat der Vertreibende die Aufgabe sowohl Einzel- als auch Onlinehandel miteinander zu vernetzen und in beiden Sparten präsent und erreichbar zu sein. Ein funktionierendes Beispiel für dieses Konzept bietet der Personaltrainer „Otmane Skillbeast“, der sein Training per Videokonferenz vermarktet und damit enormen Hype erfährt. Er entdeckte dieses Konzept von Ferntraining jedoch schon weitaus vor der momentanen Corona Situation, sodass er seine Klienten trotz geschlossener Fitnessstudios und Kontaktbeschränkungen weiterhin bequem von Zuhause aus coachen kann. Eben genau wegen diesem Einfallsreichtum und dem Mut zu Neuem verkörpert er nun mit seinem Training ein Paradebeispiel für funktionierendes Homeschooling/Hometraining und fungiert zeitgleich als Vorbild und Inspiration für Blogger wie Pamela Reif, die seit den von der Regierung angeordneten Kontaktbeschränkungen Live Fitnesstraining über YouTube anbietet.
Fazit:
Abschließend lässt sich sagen, dass der Einzelhandel Bestandteil unseres alltäglichen Lebens ist und auch nach virenbedingter Schließung bleibt. Besonders in dieser Zeit geht mit dem Schließen der lokalen Geschäfte ein erheblicher Teil unseres Alltags für vorübergehende Zeit verloren. Zwar besteht nach wie vor die Möglichkeit Produkte online zu bestellen, nichtsdestotrotz wird dies meiner Meinung nach nie vollständig in der Lage sein den Einzelhandel zu ersetzen, unter anderem aufgrund der Wartezeiten und weil unser „normales“ Leben nun mal nicht im Internet stattfindet. Also ist der Einzelhandel zwar zukunftsfähig, allerdings wird der Onlinehandel seine Führungsposition beibehalten und vermutlich auf Produkte, die es zulassen (ausgenommen z.B. Abendkleider) ausweiten. Daher sehe ich persönlich eine beträchtliche Entlastung der finanziellen Situation der Einzelhändler in der Zeit der Ladenschließung darin, vom Aufschwung des Onlinevertriebs Profit zu machen, falls der nötige Aufwand, Fleiß und vor allem die essenzielle Zeit aufgebracht werden kann. Wieso abwarten und Tee trinken bis Sie Ihren Laden wieder öffnen dürfen, wenn sie genauso gut in dieser freien Zeit einen Onlinevertrieb aufbauen oder Produktanzeigen auf Ebay oder Amazon aufgeben können.
Der Anfang mag zwar schwer sein, aber immerhin wird in solch turbulenten Zeiten das Wort Zusammenhalt seitens der Gesellschaft und des Sozialstaates Deutschland, durch Hilfs- und Konjunkturmaßnahmen, sowie Kampagnen und gegenseitiger Unterstützung, großgeschrieben.
Wieso also nicht den Sprung ins kalte Wasser wagen? – Profitieren Sie von der Digitalisierung der Märkte und geben dem Onlinehandel eine Chance. Sie können nichts verlieren, aber seien sie sich der damit verbundenen Arbeit bewusst.
Quellen:
Arte. 2020. Onlinehandel – Alles retour /ARTE Re:. https://www.youtube.com/watch?v=wgSMMUN3mtg&feature=youtu.be&t=899 (11.05.20)
Ave. 2017. Das Pro und Contra des stationären Handels. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.umfrage-zum-onlinehandel-stationaerer-handel-zieht-immer-oefter-den-kuerzeren.671bc6a3-f8b4-4d9b-8f8c-fe0f0d19d44d.html (07.05.20)
Johanna Leitherer, Susanne Niemann. 2017. Online-Handel birgt sowohl Chancen als auch Risiken. https://www.springerprofessional.de/vertriebskanaele/handel/online-handel-birgt-sowohl-chancen-als-auch-risiken/6604604 (08.05.20)
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